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Zugang zur Schulbildung während Covid-19: Benachteiligung geflüchteter Kinder verhindern

Flüchtlingsunterkünfte bieten oft keine geeigneten Lernräume. Ohne WLAN, Laptops und Drucker können Kinder und Jugendliche dem Fernunterricht während der Coronapandemie nicht folgen. Die Verteilung der neuen Endgeräte muss gerade bei diesen Kindern landen und auch der Zugang zum Internet organisiert werden. Auch außerhalb der Quarantänemaßnahmen gibt es nicht genügend staatliche Unterstützung für geflüchtete Kinder und Jugendliche. Das Kultusministerium hat die Sommerferien nicht genutzt, um neue Zugänge und Konzepte zu entwickeln. Aber vom Sozial- und das Innenministerium fehlen Impulse, um die Situation der schulpflichtigen Kindern in den Gemeinschaftsunterkünften zu verbessern.

Grüner Antrag zur Verbesserung der Situation

Bildungsteilhabe ermöglichen – Zunehmende Benachteiligung von
geflüchteten Schüler*innen verhindern 

habe ich zusammen mit der Grünen Fraktion gestellt.

In der Stellungnahme der Staatsregierung  ist eindeutig: Sie haben verpasst, Maßnahmen gegen die Benachteiligung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in den Unterkünften in der Corona-Krise einzuleiten. Der geplante „runde Tisch“ bei der Integrationsbeauftragen kommt spät. Das Versagen des Kultus-, Sozial- und Innenministeriums können die engagierten ehrenamtlichen Asylhelfer*innen vor Ort nicht allein auffangen.

Brief ans Kultusministerium

In einem eigenen Brief, habe ich den Staatsminister Herrn Professor Piazolo bereits in den Ferien aufgefordert, als Kultusminister die bessere Unterstützung von geflüchteten Kindern gerade in der Corona-Krise zur Chefsache zu machen.

Antwort des Kultusministeriums

Aus der Antwort geht hervor, dass das Kultusministerium keine neuen Ideen entwickelt hat, um Kinder in den Unterkünften gerade bei drohenden neuen Quarantäne-Zeiten, bei Klassenschließungen und in der eh schon schwierigen Situation besonders zu helfen.

Wie beurteilen Sie, die Anwort des Ministers? Was sind Ihre Erfahrungen?

Aus meiner Sicht geht die Antwort an der Lebensrealität der geflüchteten Kinder vorbei. Diese besteht aus Zimmern mit keinem ruhigen Arbeitsbereich, keinen Endgeräten, ohne W-Lan-Zugang und Bildungsangebote sind ein einziges Improvisorium.

Nachfragen zur Praxis der Auszahlungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket

Es gab Hinweise, dass es eine Ungleichbehandlung zwischen Sozialhilfeempfängern und Geflüchteten gibt. Die Leistungen sollen bei Geflüchteten nicht automatisch überwiesen sondern teilweise nur nach der Vorlage von Quittungen erstattet werden oder erstattet worden sein. Ich habe beim Sozialministerium nachgefragt und folgende Antwort erhalten:

Antwort des Sozialministeriums

Auf meine Nachfrage, ob dem StMUK eine Ungleichbehanldung bekannt ist, hat das Ministerium wie folgt geantwortet:

„(…) Die von Ihnen angeführten Berichte sind uns nicht bekannt, daher können wir nur allgemein antworten. Es trifft zu, dass auch Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Anspruch auf Leistungen zur Bildung- und Teilhabe haben, wenn die sonstigen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. So ist beispielsweise zum Teil der Besuch einer allgemein- oder berufsbildenden Schule zwingende Voraussetzung. Ob sich die allgemeinbildende Schule dabei auf dem Gelände eines ANKERs befindet, ist in diesem Zusammenhang aber irrelevant. Zur Gewährung einiger Bildungs- und Teilhabeleistungen ist aufgrund der bundesgesetzlichen Vorgaben auch die Stellung eines Antrags auf Gewährung der Leistungen erforderlich, für den Schulbedarf nicht. Im Einzelfall kann die Behörde aufgrund einer ausdrücklichen dahingehenden Regelung auch einen Nachweis über eine zweckentsprechende Verwendung der Leistung verlangen.

Soweit im Einzelfall aufgrund praktischer Erwägungen die Leistungsberechtigten betreffend Bildungs- und Teilhabeleistungen freiwillig in Vorleistung getreten sind, besteht für diese Fälle bei Vorliegen aller Voraussetzungen ein gesetzlicher Erstattungsanspruch.“

Was halten Sie von der Antwort? Machen Sie andere Erfahrungen?

Gern nehmen wir Ihre Einschätzung mit in die Debatte und zum Runden Tisch.

Schreiben Sie mir gern Ihre Erfahrungen in die Kommentarleiste!

Hier ein paar Einschätzungen aus dem Kreis der Asylhelfer*innen, die mir schon geschrieben haben:

Asylhelferin aus dem Landkreis München:

(..) Im Frühjahr habe ich mich aktuell um zwei afrikanische Kinder (1. Klasse) gekümmert, die keinerlei Zugang zu digitalen Medien haben. Ich habe zunächst für sie alles ausgedruckt und sie informiert und mit ihnen gelernt. Da mir das viele Ausdrucken aber irgendwann zu blöd wurde, bat ich die Lehrerin mir die Arbeitsblätter vorbeizubringen, was diese auch ohne zu zögern tat.

Inzwischen habe ich für die Kinder für den Fall der Fälle von der Schule einen Laptop zur Verwahrung bekommen (mit einem Teams-Zugang). die Mutter der Kinder hat einen selbstbezahlten Internetstick, der sie jeden Monat 40€ kostet.

Falls es wieder zu Distanzlernen kommen sollte, haben die Kids also zumindest einen Pc (bedienen können sie ihn aber nicht!!!!), keinen Drucker und eigentlich auch niemanden, der sie zusätzlich von der Schule her betreut. Ein Endgerät zur Verfügung zu stellen, ist ein erster Schritt, aber der alleine nutzt nichts, wenn die Kinder nicht auch WLAN, Drucker, Arbeitsplatz und Betreuung bekommen. Das sollte das Ministerium akzeptieren und entsprechend Personal und Geld zur Verfügung stellen. Die ganze Arbeit den Ehrenamtlichen zu überlassen (wie in der Antwort auf Ihren Brief angedeutet) ist eine faule Sache. Zumal wir in einem weiteren Lockdown keinen Zugang zu den Geflüchteten haben werden.

Asylhelfer aus der Nähe von Nürnberg:

2 Schülerinnen konnte ich helfen, einen Computer bzw. Laptop zu erhalten. Seit Anfang August bin ich nun wiederum dabei 12 weitere digitale Endgeräte zu besorgen für Kinder (..)

Im August habe ich einen ehrenamtlichen Feriennachhilfe Unterricht abgehalten. Dies habe ich schon letztes Jahr getan. Dieses Mal war ich spät dran, weil das Sozialreferat vorhatte, Nachhilfe für SchülerInnen aufgrund der Pandemie zu organisieren und ich bereit war, dafür meinen geplanten Nachhilfe Unterricht ausfallen zu lassen. Es kam nichts, mein eigener Unterricht wurde nur mangelhaft nach aussen bekannt gegeben. Aus Telefonnummern vom letzten Jahr konnte ich teilweise doch noch mit wenigen Teilnehmern diesen Unterricht dann durchführen.

Mit den BuT Gutscheinen gab es ein heilloses Durcheinander, obwohl es hiess, dass Gutscheine ohne Probleme ausgestellt werden sollten, auch für den Schulbeginnsmonat September, fand dies nur bedingt Anwendung. Ich habe über 20 Stunden Unterricht erteilt, die ich nun als ehrenamtlich verbuche. Das ist aber nicht Thema, der Grund für mich ist nicht das Geld verdienen primär, ich habe aber dafür einen Job als Rentner aufgegeben, weil mir die Hilfe für diese Kinder als sinnvoller erscheint.

Vielmehr möchte ich Ihnen eine Stellungnahme auf Ihren Brief an den Herrn Kultusminister bzw. zu seiner Antwort schreiben.

Ehrlich gesagt brauche ich einen Dolmetscher, der mir erklärt, was Sache ist. 5 Seiten, die zeigen, Politik scheint ausser endlosem Palaver keine Lösungen auch nur ansatzweise zu haben. Wahrscheinlich ist dies soweiso wieder eine Sache für die noch immer vielen ehrenamtlich Tätigen, die sich zwar in Sonntagreden belobigt fühlen, der Erfahrungen aus der Praxis allerdings reich an Depressionen ist.

Momentan versuche ich seit Anfang August mit dem Bayerischen Elternverband noch einmal eine Computer Spende für sozial schwache Familien zu organisieren. Iich habe einen Bedarf an ca. 10 Geräten gemeldet mit Namen etc. und warte nun ob evtl. der Hintergrund für langes Schweigen darin besteht, dass es sich fast ausnahmslos um Gefüchtete handelt, die in den ganzen sozialen Massnahme Paketen sowieso schon krass benachteiligt werden. Siehe den Sonderbonus von 300 Euro für jedes Kind.

Aus geplanten 5 bis maximal 10 Stunden für ehrenamtliche Hilfe ist inzwischen eine nahezu komplette Arbeitswoche incl. bezahlter Nachhilfe Stunden geworden. (…)

Kommunalpolitikerin und Integrationshelferin aus dem Voralpenraum:

(..) als Organisatorin einer Flüchtlingshelfergruppe in (…)  konnte ich bisher noch nicht detailliert feststellen, wie sich die Situation für unsere Flüchtlingskinder seit Schulbeginn darstellt. Die recht großzügigen Ankündigungen und Versprechungen von Minister Piazolo dürften nicht unbedingt der Realität entsprechen. Meines Erachtens ist es wichtig, dass die Schulleitungen und -kollegien ausreichend über alle Möglichkeiten informiert sind und sie auch nutzen. Da muss auch die jeweilige Gemeinde mitwirken. Ich denke, es wird noch einige Zeit dauern, bis wirklich alle Kinder die notwendigen Hilfen bekommen (natürlich sind da recht viele Schulsozialarbeiter und Lehrkräfte auch aus eigenem Antrieb aktiv).

Ehrenamtliche Flüchtlings-Helferin:

(…) Ich finde es gut, dass der Minister für Unterricht und Kultus ein sog. Rahmenkonzept und auch Finanzmittel für mobile Endgeräte angesprochen hat. Es ist gut, dass es soetwas gibt, auch dass die Eltern der Flüchtlingskinder Anträge stellen könnten.

Aber wer kümmert sich darum, dass in den Flüchtlingswohnungen die erforderlichen Techniken eingerichtet werden, dass Kinder Zugang zu Druckern und anderen Endgeräten bekommen usw., wenn die Eltern dazu „keine Kenne“ haben ? Zum Beisspiel, in einer Familie mit 7 Schulkindern, die in verschiedene Schulen gehen, bräuchte man in Zeiten des Distanzunterrichts mehrere Geräte oder die Kinder müssten auch in diesen Phasen Zugang zu entsprechend eingerichteten externen Räumen haben.

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