Die Abschiebungen werden trotz Corona nicht ausgesetzt. Das muss sich ändern! Zusammen mit Stephan Theo Reichel dem 1. Vorsitzenden von matteo – Kirche und Asyl e.V. habe ich noch vor Weihnachten diesen Apell an den Staatsminister Herrmann geschickt:
Sehr geehrter Herr Staatsminister Herrmann,
den Geflüchteten in Bayern droht trotz der Corona-Pandemie, dass Sie nach Afghanistan, Pakistan, nach Äthiopien oder in den Iran abgeschoben werden.
Abschiebungen nach Afghanistan wie auch in die anderen Länder halten wir unter den aktuellen Umständen für nicht vertretbar. Die Situation in den Ländern ist unsicher. Zum einen steigt die Zahl der Covid-19-Infizierten aktuell weiter an, zum anderen gibt es nach wie vor Anschläge, die auch die Zivilbevölkerung treffen.
Gerade in Afghanistan steht die baldige Beteiligung an der Macht oder eine Machtübernahme der Taliban im Raum – die dann Abgeschobene besonders bedrohen würde.
Die wirtschaftliche Situation ist angesichts der Corona-Pandemie prekärer als je zuvor, sodass auch junge Menschen ihr Überleben nicht mehr sichern können.
Dass Afghanistan derzeit kein sicheres Land ist, legen auch zahlreiche Urteile deutscher Verwaltungsgerichte nahe. Nach dem Global Peace Index gilt Afghanistan seit zwei Jahren als das gefährlichste Land der Welt.
Die Gewerkschaft der Polizei Bayern spricht sich aufgrund der prekären Sicherheitslage in Afghanistan und der Schutz ihrer Beamt*innen aufgrund des Infektionsgeschehens ebenfalls gegen Abschiebungen aus.
Bereits am 10.12.2020 erfolgte eine Abschiebung nach Nigeria, bei dem auch Bayern beteiligt war.
Immer wieder werden Abschiebungen in den Iran, den Irak oder Äthiopien geplant oder durchgeführt trotz problematischer Sicherheitslage und der weltweiten Covid-19-Krise. Auch von Ihnen unterstützte Dublin-Abschiebungen auf dem Höhepunkt der Pandemie in schwer belastete und überfordere Länder wie Griechenland, Rumänien, Bulgarien oder Italien sind problematisch und lösen in Italien Irritation aus.
Jede Abschiebung in Länder mit Gesundheitssystemen, die deutlich weniger gut ausgestattet sind als Deutschland, ist eine unnötige Gefahr. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie in den jeweiligen Herkunftsländern und der Zustand ihrer Gesundheitssysteme müssen zwingend bei der Prüfung von Abschiebehindernissen berücksichtigt werden. Dies gilt umso mehr, wenn Menschen, die einer Risikogruppe in Bezug auf COVID-19 angehören, betroffen sind. Es ist absurd, wenn einerseits strenge Einreisebeschränkungen gelten und Grenzen aus Infektionsschutzgründen kontrolliert werden, aber andererseits Menschen weiterhin abgeschoben werden sollen.
Wir schlagen vor, während eines durch die Corona-Krise gebotenen Moratoriums für alle Abschiebungen gemeinsam nachzudenken, wie wir das durchaus notwendige Mittel von Rückführungen oder die Förderung von Rückkehr in wirklich sichere Länder wieder humaner und für die betroffenen Menschen akzeptabel gestalten können.
Für Menschen, die sich erkennbar gut integriert haben und für unser Handwerk und Wirtschaft eine Bereicherung sind, sollte auch Bayern besser und großzügiger die gesetzlichen Möglichkeiten eines Aufenthalts durch Arbeit und Ausbildung nutzen, ohne auf aufwändige und in der Krise nicht durchführbare Visumverfahren zu setzen.
So könnte auch im Asylbereich die schwere Krise unseres Landes zum Beschreiten von neuen Wegen in politischen und humanitären Konsens genutzt werden. Dann wäre die schwere Zeit, durch die wir gehen, am Ende auch ein Gewinn.