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Gleiche Rechte für Frauen – mit und ohne Migrationshintergrund

Am heutigen Weltfrauentag grüße ich alle Frauen! Lasst uns gemeinsam die gläsernen Decken in unseren Leben abbauen. Dabei werden besonders „Frauen mit Migrationshintergrund“ in ihrer Vielfalt, in ihren Ressourcen und Potenzialen immer noch zu wenig und vor allem nicht differenziert genug wahrgenommen. Allein in meiner Familie anhand meiner eigenen Biografie erkenne ich die Unterschiede zwischen den Generationen und den Milieus. Während meine Mutter „Frau eines Gastarbeiters“ war, galt ich in meiner Klasse als „Ausländerin“ und gelte jetzt als „Frau mit Migrationshintergrund“. Die Sprache hat sich geändert aber die Hürden bleiben. Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, dass die „gläserne Decke“ endlich durchbrochen wird!

Meine Gedanken und Forderungen dazu aus meiner Rede zu Ehren des Jubiläums von Donna Mobile am 12.10.2019:

Wenn wir von Frauen mit Migrationshintergrund sprechen und sie fördern möchten, müssen wir uns wie bei Donna Mobile vorbildlich getan,  zunächst deren Vielfalt und Heterogenität vor Augen führen: Sie kommen alleine in Bayern aus über 100 Herkunftsländern, haben eigene Migrations- oder  Fluchtgeschichte oder sind in Deutschland geboren, verfügen über unterschiedliche Aufenthaltstitel, einen heterogenen Bildungsstand, unterschiedliche familiale oder außerfamiliale Netzwerke, sind alleinstehend oder haben eine Familie und bringen unterschiedliches ökonomisches und soziales Kapital mit. M. a. W.: DIE Frauen mit Migrationshintergrund gibt es so gesehen eigentlich gar nicht.

Frauen mit Migrationshintergrund werden in ihrer Vielfalt, in ihren Ressourcen und Potenzialen immer noch zu wenig und vor allem nicht differenziert genug wahrgenommen.

Alleine in meiner Familie anhand meiner eigenen Biografie erkenne ich die Unterschiede zwischen den Generationen und den Milieus.

Während meine Mutter „Frau eines Gastarbeiters“ war, galt ich in meiner Klasse als „Ausländerin“ und bin jetzt „Frau mit Migrationshintergrund“. Die Sprache hat sich geändert aber die Hürden bleiben.

Trotz der Änderungen im Label und einer Entwicklung in der Wahrnehmung gibt es weiterhin in unserem Leben immer wieder die gleichen Hürden. Man bezeichnet sie auch gern in der Wissenschaft als „gläserde Decke“

Viele qualifizierte Frauen mit Migrationshintergrund scheitern an der „gläsernen Decke“ bzw. bekommen sie spüren.

Alarmierend sind zum Beispiel im Bildungsbereich die Zahlen derjenigen, die die Hauptschule ohne Abschluss verlassen haben: auch hier sind Frauen mit Migrationshintergrund mit 10,7 % am häufigsten vertreten – im Vergleich zu 1,3 % an Frauen ohne Migrationshintergrund.

Schlusslicht sind Frauen mit Migrationshintergrund auch im Bereich der abgeschlossenen Berufsausbildung und mit 40 % im Bereich „ohne berufsqualifizierenden Abschluss“ – gegenüber 11,2 % Frauen ohne Migrationshintergrund.

Die Gründe hierfür liegen in einer strukturellen Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund durch unser Bildungssystem. Der Schulerfolg von Menschen mit Migrationshintergrund hängt zu sehr von der sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer privilegierten oder weniger privilegierten sozialen Gruppe, vom Bildungshintergrund der Eltern, von der Herkunft aus urbanen oder ländlichen Regionen oder den Bildungssystemen in den Herkunftsländern ab.

Zudem mangelt es an der interkulturellen Öffnung der Schulen, der Beratungseinrichtungen des Arbeitsmarktes und der Arbeitgeber*innen liegen.

  • Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund werden immernoch oftmal Wegberaten von höheren Abschlüssen. Gerade die Debatte und Beispiele bekannt unter #metwo sind einfach nur zu Fremdschämen, wenn junge Mädchen sich von Lehrkräften anhören müssen, sie bräuchten doch kein Gymnasium zu besuchen.
  • Auch werden zu viele in Beschäftigungsverhältnisse unterhalb des eigentlichen Qualifikationsniveaus
  • Zum Teil offener Rassismus, verknüpft mit Stereotypen über Frauen bzgl. Herkunftsland und/oder Religionszugehörigkeit

Gerade neu zugewanderte junge Frauen sind mit riskanten Übergangsphasen in das Bildungs- und Beschäftigungssystem konfrontiert, wenn sie beispielsweise trotz eines Besuchs des Gymnasiums hier nur den Einstieg in Haupt- oder Realschule durchsetzen können. Der Einstieg in das Bildungs- und Beschäftigungssystem ist oftmals mit einer Herabstufung der eigentlichen Qualifikation verbunden.

Dies zu Beheben ist die Aufgabe vor allem der Regierung. Sie hat den Zugriff aufs System.

Gleichzeitig steht genauso im vierten Bericht zum Integrationsmonitoring der Länder aus dem Jahr 2017 dass 30,4 % aller Frauen mit Migrationshintergrund zwischen 18 und 65 Jahren die allgemeine Hochschulreife hatten und waren damit – auch im Vergleich zu deutschen Frauen und Männern – absolute Spitzenreiterinnen. Dies gilt auch für Hochschulabschlüsse: Mit 14,4 % haben Frauen mit Migrationshintergrund von allen Teilgruppen am häufigsten einen Hochschulabschluss. Damit sind sie stark in Extremen.

Um darauf besser in Deutschland zu reagieren, brauchen wir bessere Kompetenzfeststellungsverfahren und passgenaue Nachqualifizierungen gerade für Frauen. Donna Mobile ist eines der wenigen Projekte, die genau dort ansetzt.

Zu der gläsernen Decke gehörtauch, dass Frauen in der Bildungs- oder Berufswelt vor allem defizitär wahrgenommen werden.

Dies betrifft insbesondere Frauen aus muslimischen Ländern und ist besonders stark ausgeprägt wenn es sich um geflüchtete muslimische Frauen handelt. Dann wird fälschlicherweise automatisch angenommen, hierbei handelt es sich um Frauen aus bildungsfernen und unter der Dominanz patriarchalischer Strukturen leidenden Mileus. Die untergeordnete Frau – das sind dann die oftmals leitenden Stereotypen. Übersehen wird dabei, dass beispielsweise 2011 die Hälfte aller Studierenden in Syrien Frauen waren. In Iran macht der Anteil von Frauen an den Universitäten 60 % aus.

Wir müssen endlich aufhören die falschen Stereotype zu bedienen. Eine differenzierte Betrachtungsweise, würde uns so manches Neues entdekcen lassen und endlich die versteckten Ressourcen in den Mittelpunkt rücken.

Gerade beim Fachkräftemangel in Bayern hat die gesamte Gesellschaft ein großes Interesse , dass Potential von Frauen mit Migrationshintergrund besser zu fördern

Die Erwerbstätigenquote von Frauen mit Migrationshintergrund war 2015 mit 57,5 % am niedrigsten – trotz des hohen Bildungsvorsprungs im allgemeinen Schulwesen und im Hochschulbereich und einer überdurchschnittlich hohen Anerkennungsquote von ausländischen Abschlüssen. Hier werden an der Schnittstelle von Migrationshintergrund und Geschlechtszugehörigkeit Exklusionsmechanismen wirksam.

Dies wird mit einem Blick auf die Arbeitslosigkeit zementiert: Auch hier sind Frauen mit Migrationshintergrund trotz des Bildungsvorsprungs mit 18 % Spitzenreiterinnen. Zudem üben sie am häufigsten eine geringfügige Beschäftigung aus und bestreiten ihren Lebensunterhalt am seltensten aus eigener Erwerbstätigkeit. Sie sind von Transferleistungen und Familienangehörigen abhängig und in ihrer finanziellen Autonomie am stärksten eingeschränkt. Hinzu kommt eine Dunkelziffer von geschätzt 100.000 – 2000.000 illegalen Arbeitsverhältnissen.

Darauf müssen wir reagieren und die richtigen Schlüsse ziehen. Aus meiner Sicht müssen dazu dringend die Aufenthalts- und arbeitsrechtliche Hürden abgebaut werden, der Zugang zu Sprachkursen – auch berufsbegleitend – muss für alle verbessert werden.

Es braucht differenzierte und gendersensible Kompetenzfeststellungsverfahren, eine geschlechtersensible Anerkennung von Abschlüssen und entsprechend passgenaue Nachqualifizierungen. Natürlich brauchen auch diese Frauen dann mehr und qualitativ bessere Kinderbetreuungsplätze von der Krippe bis zur weiterführenden Schule. Aber auch schon für den Sprachkurs und nicht erst wenn sie eine Arbeitsstelle nachweisen können.