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Was bedeutet die Aussetzung des Familiennachzugs für Schutzberechtigte?  

Pictogramm Familie (Foto von Sandy Millar auf Unsplash)

Die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD haben Ende Juni die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte beschlossen. Damit verschärft sich die Lage für Geflüchtete, die ohnehin nur eingeschränkten Schutz genießen. Die Neuregelung wirft grundsätzliche Fragen zur Familienpolitik und Integration auf. Wir suchen dazu Erfahrungen aus der Praxis. 

Am 27. Juni 2025 beschloss der Bundestag für zunächst zwei Jahre die faktische Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte. Betroffen sind Menschen, die keinen Anspruch auf Asyl im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention haben, denen aber bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland – häufig wegen Krieg oder Folter – ernsthafter Schaden drohen würde.  

Künftig sollen sie nur noch in Ausnahmefällen nahe Angehörige nachholen dürfen: Ehepartner, minderjährige Kinder oder – bei unbegleiteten Minderjährigen – die Eltern. Und auch das nur noch bei nachgewiesenen Härtefällen. 

Diese Gesetzesänderung markiert eine Zäsur. Denn selbst der bislang geltende, stark kontingentierte Familiennachzug – begrenzt auf 1.000 Angehörige pro Monat – war bereits Ausdruck eines politischen Kompromisses, der dem Spannungsfeld zwischen Menschenrechten, Integrationsinteresse und politischem Druck gerecht werden sollte. Nun folgt eine weitere Verschärfung, die zentrale soziale und menschenrechtliche Grundsätze infrage stellt. 

Integration ohne Familie? Ein Widerspruch. 
  

Die Genfer Flüchtlingskonvention, die Europäische Menschenrechtskonvention und auch das Grundgesetz erkennen die Familie als besonders schützenswert an. Die nun beschlossene Aussetzung steht in eklatantem Widerspruch zu diesen Werten – und schwächt obendrein die Integrationschancen der Betroffenen. 

Denn Familie ist für viele Geflüchtete ein zentrales Element der Stabilisierung. Wer dauerhaft von seinen engsten Angehörigen getrennt bleibt, lebt in Unsicherheit, psychischem Stress und häufig in Isolation. Das wirkt sich auf Spracherwerb, Arbeitsmarktintegration und gesellschaftliche Teilhabe aus – all jene Ziele, die politisch eigentlich gefördert werden sollen. 

Ein integrations- und wirtschaftspolitisch falsches Signal 
  

Gerade in Zeiten des demografischen Wandels und eines angespannten Fachkräftemarkts erscheint dieser Kurs auch wirtschaftspolitisch kurzsichtig. Während es jährlich rund 400.000 neue Arbeitskräfte bräuchte, um die Wirtschaftsleistung aufrechtzuerhalten, wird gleichzeitig Menschen, die bereits hier leben, das Recht auf ein stabiles familiäres Umfeld verwehrt.  

Es ist paradox, wenn Personen, die sich in Arbeit befinden, ihre Familien nicht zu sich holen können, aber weltweit um Fach- und Arbeitskräfte beworben wird. Integration gelingt nur in familiären Zusammenhalt. Wer würde nicht seine Familie um sich haben wollen, und solche Hürden nicht mit in eine Entscheidung für Deutschland einfließen lassen? 

Für Betriebe wie für Betroffene ist das unplanbar und demotivierend – und es konterkariert das Ziel, Menschen mit Bleibeperspektive nachhaltig in Gesellschaft und Arbeitswelt einzubinden. Deutschland muss aus den Erfahrungen mit den sog. Gastarbeiter*innen lernen und sich für eine nachhaltige Integration einsetzen.    

Politische Bewertung folgt – Praxiswissen gefragt 
  

Die gesetzliche Neuregelung verlangt nach politischer Einordnung – auch auf Landesebene. Im Bayerischen Landtag werden wir im Herbst Anfragen auf den Weg bringen, um die Auswirkungen des Gesetzes sichtbar zu machen und auf Verbesserungen zu drängen. Dafür sind Informationen aus der Praxis entscheidend: Wie verändert sich die Arbeit in Beratungsstellen? Welche Hürden treten konkret auf? Wie wirkt sich die neue Regelung auf laufende Verfahren aus? 

Deshalb lade ich alle Akteurinnen und Akteure aus der Flüchtlingshilfe herzlich ein, ihre Erfahrungen und Einschätzungen zu teilen – sei es mit Fallberichten, Einschätzungen aus der Beratung oder strukturellen Hinweisen. Diese Rückmeldungen sind unverzichtbar für eine fundierte politische Debatte. Ich freue mich über eine Mail an info@guelseren.de oder über dieses Formular. Danke!